Berliner Hauptbahnhof aus der Ferne 2006
Brehmchens Welt

Drei Chinesen mit dem KontrabassA

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Frankfurt Hauptbahnhof. Erste Sonnenstrahlen erreichen den Bahnsteig. Gut so, mir ist kalt. Eine Mischung aus textiler Unterversorgung und Schlafdefizit. Der frühe Morgen ist nicht mein Freund und meine Lebenserfahrung gibt mir eindeutige Zeichen, dass es wohl auch so bleibt.

Der Zug hat 5 Minuten Verspätung. Ich bleibe gelassen, es gibt schlimmere Ereignisse. Die Sitzplatzsuche heute unter schweren Rahmenbedingungen. Da Reservierungen wegen eines technischen Defekts nicht angezeigt werden können, ähnelt der Reiseverlauf der Reise nach Jerusalem. Hier jedoch mit wechselnden Teilnehmern bei konstanter Bestuhlung. Ich bin 2 x Teilnehmer und treffe wiederholt auf völlig verunsicherte Reisende, die nicht verstehen, dass die Reservierungbestätigung in ihrer Hand nicht in der elektronischen Reservierungsanzeige im Zug zu sehen ist. Ganz großes Kino.

Inzwischen sitzen 2 kleine Mädchen hinter mir. Wenn sie nach der Mutter kommen, werden sie mal hübsch. Wenn sie nach dem Vater kommen, haben sie allerdings mal einen Vollbart. Egal, jedenfalls hat die Ältere eben erst ein neues Lied gelernt. Sie singt „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“. Und dies sehr innig. Ich bleibe gelassen, es gibt schlimmere Ereignisse (und es ist echt niedlich).

Der weitere Verlauf der Fahrt in Stichworten: Dri Chinisin. Dro chonoson. Dra chanasan. Man konnte es ahnen.

Ausstieg in Hannover. Im Kopf summe ich lautlos noch „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“. Verdammter Ohrwurm.

Kaffeepause in Hannover

25 Minuten Wartezeit in Hannover. Für ein Frühstück ist es zu spät und für ein Mittagessen fehlen mir Zeit und Hunger. Also lieber ein Kaffee. Nach kurzer suche stehe ich vor Segafredo in der Schlange. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Frau vor mir auch angestellt hat, also frage ich sie.

Sie lehnt sich dann zu mir und flüstert:“ Ich stehe hier nur Schmiere und passe auf meinen Mann auf“. Danach lächelt sie und ruckelt mit ihrem Kopf in Richtung ihres Mannes. Was für eine unerwartete Antwort.

An einem Tisch sitzen 2 ältere Damen. Ein Sammelbecken für Make-up und Botox. Vor lauter Ablenkung vergesse ich fast meine Bestellung. Ich order einen Cappuccino Grande.

Der Angestellte bei Segafredo ist Italiener. Er spricht mit starkem Akzent, seine Haare sind dunkel und lockig, er ist höchstens 1,70m groß. Ein lebendes Klischee. Ich überlege, ob er nach Dienstschluss seinen Akzent behält oder ob das während seiner Dienstzeit alles nur eine Marketingmassnahme ist. Ich nehme keine weiteren Recherchen vor und greife meinen Becher mit Cappuccino.

Nach mir höre ich mit dem nächsten Kunden noch folgende Konversation:

– Cappuccino bitte.
– füahia?
– zum unterwegs.

Kann man sich nicht ausdenken.

Drei Asiaten mit Musikinstrument begleiten mich ununterbrochen. Verdammter Kontrabass.

Nachtrag

Auf dem Rückweg steige ich wieder in Hannover um. Ich gehe erneut zu Segafredo . Der Cappuccino war ja gut. Der Italiener arbeitet auch wieder. Ich bestelle:

– einen Cappuccino Grande bitte.
– füahia oder zum mitnehmen?
– für hier.

Ich bekomme den Kaffee im Pappbecher mit Deckel und Holzstab…